In den letzten Jahren zogen zahlreiche Anleger die Expertise von Wirtschaftsgutachtern zu Rate, um einen möglichen Vermögensschaden im Zusammenhang mit ihren Prämiensparverträgen überprüfen zu lassen.
Prämiensparverträge waren über viele Jahre hinweg ein Sparkassen-Bestseller. Sie wurden insbesondere in den 1990er und Anfang der 2000er Jahren unter solchen Bezeichnungen wie „S-Prämiensparen flexibel“ oder „S-VorsorgePlus“ vertrieben und zeichneten sich durch einen variablen Zins, lange Laufzeiten und im Zeitablauf steigende Bonuszinsen aus.
Die steigenden Bonuszinsen machten diese sichere Anlage für viele Kunden attraktiv und sie nutzten diese Sparverträge zum langfristigen Vermögensaufbau.
In Zeiten rückläufiger Zinsen machten die vereinbarten Bonuszinsen von bis zu 50 % auf den Sparbeitrag diese Verträge für die Anleger noch attraktiver, aber für die Banken zu einem Problem.
Bereits im Jahr 2004 erklärte der Bundesgerichtshof die von den Sparkassen und anderen Banken verwendeten Zinsänderungsklauseln dieser Prämiensparverträge als unzulässig. So wurde beispielsweise nachfolgende Zinsänderungsklausel verwendet:
Das Sparguthaben des Sparers wird während der Ansparphase variabel mit zzt. 4,25 % verzinst (Grundzinsen). Eine Änderung des Zinssatzes tritt mit der Änderung des Preisaushangs in Kraft.
Der Bundesgerichtshof hatte jedoch Vertragsklauseln, die die Änderung des Zinssatzes einseitig dem Belieben der Bank überlassen, für unzulässig erklärt.
Der Anleger soll aufgrund der in den Klauseln verwendeten Angaben die Höhe und den Verlauf des Vergleichs- oder Referenzzinses selbst ermitteln können. Das oben aufgeführte Beispiel einer Zinsänderungsklausel genügt dementsprechend diesen Anforderungen nicht.
Im Rahmen einer Musterfeststellungsklage hatte die Verbraucherzentrale Sachsen stellvertretend für ungefähr 1.300 Kunden gegen die Sparkasse Leipzig geklagt. Wirtschaftlichkeitsanalysen hatten gezeigt, dass die Banken zu niedrige Zinsen berechnet hatten.
Das Oberlandesgericht Dresden sprach sein Urteil in diesem Fall im April 2020 (Aktenzeichen 5 MK 1/19). Nun hat der Bundesgerichtshof am 06.10.2021 das Urteil des Oberlandesgerichts Dresden weitestgehend bestätigt (Aktenzeichen XI ZR 234/20).
Der Bundesgerichtshof bestätigte, dass die Zinsänderungsklausel der Sparkasse Leipzig unwirksam war. Aus diesem Grund sind die Zinsen der betroffenen Sparverträge neu zu berechnen.
Dabei ist ein Vergleichs- oder Referenzzins für eine langfristige Anlage heranzuziehen. Welcher Referenzzins anzuwenden ist, muss jedoch das Oberlandesgericht Dresden noch bestimmen. Die Zinsanpassung hat in der gleichen Weise zu erfolgen, wie sich der Referenzzins ändert. Wird der Referenzzins von der Bundesbank im monatlichen Rhythmus veröffentlicht, so ist auch der Vertragszins monatlich anzupassen.
Des Weiteren hat der Bundesgerichtshof bestätigt, dass die Zinsanpassung mit einem relativen Abstand zwischen Referenzzins und Vertragszins zu berechnen ist. Denn ein absoluter Abstand kann rechnerisch dazu führen, dass der Vertragszins negativ wird.
Das Oberlandesgericht Dresden hatte bezüglich des Referenzzinses die Verwendung eines gleitenden Durchschnittszinses der letzten zehn Jahre nicht grundsätzlich abgelehnt. Auch dies hat der Bundesgerichtshof nicht verworfen.
Fazit
Das für viele Anleger attraktive Angebot des Prämiensparens wurde bei immer weiter sinkenden Zinsen für die anbietenden Banken zum Problem. Nachdem die bestehende Zinsänderungsklausel vom Bundesgerichtshof verworfen wurde, wurde erst offenkundig, dass die Anleger bei der Zinsanpassung benachteiligt wurden. Die daraus folgenden Klagen führten letztlich zum Urteil des Bundesgerichtshofs vom 06.10.2021, mit dem die Zinsanpassungen der Banken nach „Gutsherrenart“ für unwirksam erklärt worden sind. Es ist davon auszugehen, dass die überwiegende Zahl der Anleger Zinsnachzahlungen über mehrere tausend oder zehntausend Euro erhalten wird.