In den vergangenen Jahren haben wir uns als Wirtschaftssachverständige wiederholt mit der Thematik des „Verdienstausfalls eines selbständigen Taxiunternehmers“ befasst. Von den Ausfallschäden betroffen waren hierbei sowohl Ein-Personen-Unternehmen als auch Unternehmen mit einem größeren Fuhrpark.
Dass es im Bereich der Taxiunternehmen vermehrt zu Verdienstausfallschäden kommt, ist nicht zuletzt auf das erhöhte Risiko, in Verkehrsunfälle verwickelt zu werden, zurückzuführen.
Es sind hierbei grundsätzlich die nachfolgenden Aspekte zu berücksichtigen:
Art des Taxiunternehmens
Bei Ein-Personen-Unternehmen führt der Ausfall des Unternehmers in der Regel zum Totalausfall der Einnahmen; bei Unternehmen mit mehreren Fahrzeugen und Angestellten kann der schadenbedingte Ausfall des Unternehmers leichter kompensiert werden.
Nach Angaben des Bundesverbandes Mietwagen und Taxi e.V. verfügten Ende 2016 73,6 % der Taxibetriebe in Deutschland lediglich über ein Fahrzeug.
Einzugsgebiet
Je nach Einzugsgebiet (Stadt/Großstadt oder Land, Gebiet mit erhöhtem Tourismus) können erhebliche saisonale Schwankungen hinsichtlich der Umsatzerlöse auftreten. Dies ist bei der Ermittlung der unfallbedingten Umsatzausfälle zu berücksichtigen.
Geschäftsfelder
Während das klassische Taxigeschäft zahlreichen Einflussfaktoren unterworfen ist (Saisongeschäft, Wochen- und Feiertage, Witterung u.a.) führen vertraglich geregelte Patientenfahrten zu einer konstanten und planbaren Auslastung des Fuhrparks.
Sonderfaktoren
In den Jahren 2020 und 2021 hatte die Corona-Pandemie erhebliche Auswirkungen auf das normale Tagesgeschäft eines Taxibetriebes, aber deutlich geringeren Einfluss auf die Umsatzerlöse aus Patientenfahrten, die auch in den Zeiten der Pandemie stattfinden mussten.
Anhand eines vereinfachten und anonymisierten Beispiels aus der Gutachterpraxis zeigen wir die Problematik des Saisongeschäfts und des vorzunehmenden Vorteilsausgleichs bei der Ermittlung des Verdienstausfallschadens auf.
Bei dem betrachteten Taxiunternehmen handelt es sich um einen Ein-Personen-Taxibetrieb aus einem Weinanbaugebiet in Südwestdeutschland, dessen Umsatzzahlen touristisch bedingte saisonale Schwankungen aufweisen (erhöhtes Tourismusaufkommen im Sommer, Weinfeste im Herbst, Weihnachtsmärkte).
Ausgangslage und Vorgehensweise
Der Taxiunternehmer (Herr T) wurde durch ein Unfallereignis am 01.07.2019 verletzt und konnte hierdurch bis zum 31.12.2019 sein Gewerbe als selbständiger Taxiunternehmer nicht ausführen.
Hierdurch hat er im Geschäftsjahr 2019 einen Erwerbsschaden in Höhe des Nettoeinkommens erlitten, das er erzielt hätte, wenn es nicht zu dem unfallbedingten Ausfall gekommen wäre.
Von dem entgangenen Nettoeinkommen in Abzug zu bringen waren die von Herrn T im zweiten Halbjahr 2019 von der Berufsgenossenschaft erhaltenen Verletztengeldzahlungen (Vorteilsausgleich).
Erster Schritt: Ermittlung der entgangenen Erlöse
Im ersten Schritt waren die (entgangenen) Erlöse zu ermitteln, die Herr T im
Zeitraum 01.07.-31.12.2019 mit dem Taxiunternehmen erzielt hätte.
Hierzu wurden zunächst die Umsatzerlöse des Taxiunternehmens aus dem Zeitraum vor dem Unfallereignis 2016 bis 2019 analysiert:
Bei der Analyse der Umsatzerlöse der Geschäftsjahre 2016 bis 2019 wurde deutlich, dass die im Taxibetrieb von Herrn T erzielten Erlöse erhebliche saisonale Schwankungen aufwiesen.
Aufgrund des erhöhten Tourismusaufkommens in den Sommermonaten, den Weinfesten im Herbst und den Weihnachtsmärkten im Dezember wurden im zweiten Halbjahr jeweils deutlich höhere Umsatzerlöse erzielt, als im ersten Halbjahr der betrachteten Geschäftsjahre.
Daher erfolgte die Berechnung der Soll-Umsatzerlöse des vom Unfallereignis betroffenen Zeitraums – der genau das 2. Halbjahr 2019 betroffen hat – nicht auf der Grundlage der Gesamtjahres-Umsatzerlöse, sondern auf der Basis der im Zeitraum 2016-2018 jeweils im zweiten Halbjahr erzielten Umsatzerlöse.
Der Soll-Umsatz für das vom Unfallereignis betroffene 2. Halbjahr 2019 wurde aus dem durchschnittlichen Umsatz der zweiten Halbjahre 2016-2018 abgeleitet (arithmetisches Mittel) und hat 34.026,67 EUR betragen.
Aufgrund der geringen Umsatzschwankungen im Jahresvergleich (ca. 56 TEUR bis ca. 58 TEUR) und der gleichmäßigen Anteile der beiden Geschäftsfelder (ca. 25% Erlöse aus Krankenfahrten und ca. 75% Erlöses aus Tageseinnahmen) spielten diese Aspekte bei der Ermittlung der entgangenen Erlöse keine Rolle.
Zweiter Schritt: Entgangener Deckungsbeitrag
Zur Ermittlung des entgangenen Deckungsbeitrags sind die entgangenen Erlöse um diejenigen (variablen) Kosten zu kürzen, die Herr T hätte aufbringen müssen, um die entgangenen Erlöse zu erzielen.
Nicht zu berücksichtigen sind diejenigen Kosten, die unabhängig von der Höhe der Einnahmen anfallen. Zu diesen sogenannten Fixkosten zählen bei Taxiunternehmen z.B. die Mieten, Versicherungen und Abschreibungen.
Bei einem selbständigen Taxiunternehmen bestehen die variablen Kosten nahezu ausschließlich aus den laufenden Kfz-Kosten. Diese setzen sich aus Tankungen, Kosten für Verschleißteile (Reifen, Bremsen), Waschungen und sonstigen Verbrauchsmaterialien zusammen.
Im Verhältnis zu den Erlösen betrugen im vorliegenden Fall die variablen Kosten durchschnittlich 9,88%.
Da auch sonstige Kostenarten wie Porto, Telefon und Bürobedarf in geringem Umfang variable Bestandteile beinhalten, wurde bei der Berechnung der entgangenen Deckungsbeiträge eine Aufrundung der variablen Kosten um 0,12%-Punkte vorgenommen.
Insgesamt hat sich ein Anteil der variablen Kosten von 10% ergeben, was einem Deckungsbeitragssatz von 90% entspricht.
Für das zweite Halbjahr 2019 wurde folgender entgangener Deckungsbeitrag festgestellt:
Dritter Schritt: Vorteilsausgleich Steuern und Verletztengeld
Ohne das Unfallereignis wäre in 2019 ein um 30.624,00 EUR höherer Gewinn angefallen. Auf diesen Betrag hätte Herr T Gewerbe- und Einkommensteuer (zzgl. Solidaritätszuschlag) entrichten müssen, sodass ihm lediglich der Nettobetrag nach Abzug der Steuern zugeflossen wäre.
Die Neuberechnung der Gewerbesteuer führte zu folgenden Werten:
Die Neuberechnung der Einkommensteuer führte zu den folgend aufgeführten Werten:
In der Zeit vom 01.07.-31.12.2019 hat Herr T von Seiten der Berufsgenossenschaft Verletztengeld (insgesamt 9.000,00 EUR) erhalten. Diese Zahlungen sind vom Verdienstausfall nach Steuern abzuziehen.
Unter Berücksichtigung
- der zusätzlich zu entrichtenden Steuern,
- den erhaltenen Verletztengeldzahlungen
ergibt sich folgender Wert für den Verdienstausfallschaden von Herrn T:
Anmerkung
Da Schadenersatzzahlungen ebenfalls der Besteuerung unterliegen, ist deren Zahlung um den Betrag der darauf anfallenden Steuern zu erhöhen, sodass dem Geschädigten der ermittelte Nettobetrag auch zufließt.
Hinweis
In einem noch folgenden Blogbeitrag werden wir auf die Effekte eingehen, die die weltweite Corona-Pandemie in den Jahren 2020/2021 auf die Berechnung der Verdienstausfallschäden in diesem Zeitraum hatte.
Die Pandemie hatte in der Branche der Taxiunternehmen insbesondere Auswirkungen auf die Einnahmen aus dem klassischen Taxigeschäft, weniger auf die Einnahmen aus Patientenfahrten.
Bei der Berechnung der Soll-Umsatzerlöse ist somit eine entsprechende Differenzierung der Umsatzerlöse unbedingt erforderlich.